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RESAFA, Sergiupolis, Syrien: NORDTOR

Reduziertes Doppelturmtor mit Binnenhof und Vortor (Ende 5. Jh. - Anfang 6. Jh. bzw. 1. Drittel 6. Jh.)


Resafa, in frühchristlicher Zeit nach dem Märtyrer Sergios auch Sergiopolis genannt, lag in der Syrischen Wüste 35 km südlich vom Euphrat an der Grenze zwischen dem oströmischen und dem sassanidischen Reich. Resafa war im 6. Jh. eine der wichtigsten und damit auch wohlhabenden Pilgerstätten des Reiches. Als Kastell und wichtige Wasserstelle lag es an der bedeutenden durch die Syrische Wüste führenden Straße vom nördlichen Euphrat nach Damaskus und Teil der „strata diocletiana“ bzw. des „Limes Arabicus“ zwischen dem Euphrat, Palmyra und Bostra im Süden. Kaiser Anastasios I. (491 - 518) und sein Nachfolger Justinus I. (518 - 527) werden nach dem Krieg gegen den sassanidischen König Kavadh I. 502 - 506 , d.h. im 1. Drittel des 6. Jh.s, den Bau der großen Kirchen und der neuen, größeren, etwa 3 m starken und etwa 14 - 15 m hohen Stadtmauer mit 4 Toren als Ersatz für die alte Kastellmauer veranlasst haben. Zur schnelleren Fertigstellung wurde sie anscheinend gleichzeitig an verschiedenen Stellen begonnen. Das Nordtor als größtes Tor war das Haupttor der Stadt und „Empfangstor“ für die Reisenden aus dem nördlichen Reichsteil und der Hauptstadt Konstantinopel. Die Toranlage war ein einheitliches Werk und von hoher Bauqualität mit einer in sich stimmigen Gesamtplanung eines sehr erfahrenen Baumeisters. Das Haupttor besaß 2 Flankierungstürme und dazwischen ein Mauertor mit einem großen (4,90 x 3,10 m) Wagentor und 2 flankierenden Fußgängertoren, alle mit rechteckigen, von Entlastungsbögen gesicherten Toröffnungen und Torflügeln. Fallgatter gab es nicht. 5 unterschiedlich große dekorierte und auf Kapitellen über unterschiedlich großen Säulen und Postamenten ruhende Bögen standen vor der Torwand, der mittlere Bogen über dem Wagentor war besonders groß. Die Bögen stützten eigenartigerweise die Brüstung des oberen Wehrgangs zumindest unten ohne Verbund mit der eigentlichen Torwand. Da sie die vielen Erdbeben überlebte, muss der ausgezeichnete Baumeister sie verdübelt haben. Unklar ist, ob die Steinreste in der mittleren Toröffnung zu einer Rundbogenöffnung gehörten.

Die Stadtmauer, aus dem örtlich anstehenden Gipsstein errichtet, besaß 2 übereinander liegende Wehrgänge. Der untere Wehrgang, eine mit einem Tonnengewölbe gedeckte Galerie in halber Höhe bei etwa 6 m besaß rundbogige, zur Stadtseite hin offene Nischen mit jeweils einer etwa 2 m hoher Schießscharte. Eine bei einer Belagerung auf kleinen Konsolen liegende kleine Holzbrücke konnte die beiden durch die mittlere hohe stadtseitige Tornische getrennten Schießscharten-Galerien verbinden. Der über einem Profil am oberen Ende der etwa 3,90 m starken Mauer liegende 11,7 m hohe obere Wehrgang lag frei und wird noch eine etwa 3 m hohe Brüstung mit Schießscharten gehabt haben. Interessanterweise hat der Wehrgang ein Gefälle nach außen und viele Abflussrinnen zur schnellen Abführung des Regenwassers. Die beiden zum (21 x 13,6 m) großen Binnenhof zeigenden Turmwände haben 3 Pilaster als Dekoration und Schießscharten. Eine Vormauer mit Schießscharten-Galerie und darüber liegendem offenem Wehrgang sowie heute abgebrochenem Vortor schloss feldseitig an die 2 Türme an. Je eine überwölbte Stiege führte in den 2 westlichen Turmwänden zur Schießscharten-Galerie der Vormauer. Alle diese baulichen Einzelheiten zeigen, dass hier ein im Bauwesen und im Wehrbau sehr erfahrener Baumeister am Werke war.

Die sicher von den Bildhauern der benachbarten Kirchenbaustellen bewusst aufwendig dekorierte Torfront des Haupttors mit ihrer Säulen- und Arkadenarchitektur weist auf die hohe Entwicklungsstufe der Baukunst in Nordwestsyrien und im nördlichen Euphratgebiet im 5.und 6. Jh. hin. Die reiche Dekoration mit dem Bauschmuck u.a. mit Perlstab,Weinranken mit Trauben und Blättern wirkt im Verhältnis zur Torfront jedoch etwas gedrängt. Die Kunstformen sind auch nicht ein einheitliches Gesamtkunstwerk. So sind die inneren Postamente gegenüber den äußeren kleiner. Die Säulen sind entsprechend unterschiedlich hoch und auch groß, manche scheinen aus 2 Hälften zusammengesetzt zu sein. Manche Säulen sind sogar nach unten und oben verjüngt. Alle als Auflager der Lehrgerüste für die Herstellung der 5 Bögen dienende Bossen an den Innenseiten der Platten über den Kapitellen wurden aus rationellen Gründen nur glatt bearbeitet. Vermutlich wurden neben den aktuellen Kunstformen Dekorationsteile von aufgegebenen älteren römischen Tempeln wiederverwendet, was seit etwa Konstantin dem Großen üblich war. Erst gegen Ende des 13. Jh.s wurde die Stadt wegen der Mongoleneinfälle aufgegeben.

Abb. a.: Reich dekorierte Fassade des Haupttores mit 2 der 3 Toröffnungen

Abb. b.: Binnenhof mit westlichem Flankierungsturm mit Schießscharten im Obergeschoss und 3 Pilastern. Das Haupttor schließt links, die Vormauer rechts im Bild an den Turm an.

Abb. c: Stadtseite des Haupttores mit den 3 Tornischen und der anschließenden Stadtmauer. Die oberen rundbogigen Öffnungen gehören zur unteren, gedeckten Wehrgang-Galerie mit etwa 2 m hohen Schließscharten zum Binnenhof hin.

Abb. d: Vortor des Nordtores mit Resten der Vormauer von der von Norden und dem Euphrat herkommenden Wüstenstraße aus. Die Vormauer beginnt an der westlichen Ecke des östlichen Turmes (links im Bild). Die gesamte westliche Hälfte der Vormauer ist noch relativ gut erhalten und verdeckt den westlichen Flankierungsturm (rechts im Bild). Das Vortor selbst ist vollständig vermutlich durch Steinraub in der Neuzeit abgebrochen und an anderer Stelle wieder eingebaut worden.