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1. Kleine Einführung in den deutschen Burgenbau im Hochmittelalter mit dem Schwerpunkt Süddeutschland bis zur Lahn und zum Elsaß


a) Die deutsche Burg im Mittelalter als „historischer Ort”, „Erinnerungsort”

Burg Rothenfels am Main

Burgen waren wesentlicher Teil der mittelalterlichen Infrastruktur. Heute sind sie „historische Orte”, oft auch „Erinnerungsorte”. Als Denkmäler in unserer Landschaft zeigen sie uns deren Geschichte sowie Ausschnitte des mittelalterlichen Alltags.

Nur wenn man die Geschichte solcher Bauwerke oder eines Raumes kennt, hat man auch ein Fundament, um für diese auch Neues zu schaffen und die Zukunft zu gestalten. So in der Stadt- und Raumplanung sowie Architektur. Es zeigt sich immer wieder, Technik alleine reicht auf Dauer nicht aus.

Gerade die Auseinandersetzung um die Bebauung des Dom-Römer-Bereiches in Frankfurt am Main seit 1950 und verstärkt seit 2000 zeigt die Ausstrahlung eines „historischen Ortes”, „Erinnerungsort”, der Königshalle der karolingischen Pfalz (um 820 - 850) und des spätmittelalterlichen-frühneuzeitlichen „Krönungsweges” der deutschen Kaiser. Beide, Fundamente der Königshalle und „Krönungsweg”, erzeugten in der Mitte des Europäischen Finanzzentrums Frankfurt am Main, der Altstadt, eine gestalterische Energie und Suche nach der Wiederfindung der historischen Wurzeln durch die Frankfurter Bürger und Politiker. Auch in mehreren Anläufen, Wettbewerben, hatten es die Architekten nicht geschafft, eine annehmbare, menschenfreundliche Bebauung im Bereich Dom-Römer zu entwickeln. Alle Wettbewerbe berücksichtigten leider nicht den „historischen Ort” der karolinischen Pfalz. Nach dem Architektenwettbewerb „Stadthaus am Markt” in 2009 wurden die noch vorhandenen Grundmauern der karolinischen Königshalle nicht mehr aufgebaut beziehungsweise die Königshalle nicht visualisiert. Das neue Stadthaus haust nur noch die Grundmauern der Königshalle ein. Auf der Seite „Königshalle” (herunterladbare Publikation Nr.9) werden die Geschichte und städtebaulichen Aspekte zur Bebauung des Bereiches der Königshalle erläutert.

b) Ein Ansatz für eine Typologie der Burgen in der Stauferzeit (Mitte 12. - Mitte 13. Jh.) auf Grundlage ihrer jeweiligen Funktionen

Die europäische Burg war als Wehrbau vom 11. bis zum 15. Jahrhundert ein besonders ausgeprägtes Bauwerk. Sie unterschied sich als befestigter Wohnsitz mit den Burgelementen: Bergfried, Ringmauer, Burgtor und Wohngebäude völlig von den antiken großen Befestigungen und Stadtburgen. Die klassischen, hochmittelalterlichen Burgen (Mitte 12. Jh. bis Mitte 13. Jh.) im deutschen Sprachraum waren in Abhängigkeit von ihrer Funktion ausgebildet als 

große und kleine Festungsburg Sitz vieler Bewaffneter/Lehensleute, Territorialzentrum, Residenz mit einem oder zwei Bergfrieden
Wehrburg wehrhafter Sitz eines Ritters/Ministerialen mit einem Bergfried
Wohnburg Wohnsitz eines Adeligen mit aufwendigerem Wohnkomfort im Wohngebäude
Satellitenburg Nebenburg um eine bedeutende Burg oder auch Residenz herum; die zur Unterstützung der Hauptburg diente
Verwaltungsburg Sitz eines Verwalters eines oder mehrerer Dörfer einer bedeutenden Herrschaft

Entsprechend ihrer Funktion wurden vom Burgherrn unterschiedliche hohe Baugelder in die Burg investiert und die Burgelemente entsprechend baulich gestaltet. Heute geschieht dies auch bei dem Bau moderner Gebäude. 

c) Planungsgrundsätze

Die Burgen entwickelten sich im Abendland in den Grundsätzen einheitlich. Ab dem Ende des 10. Jhs., im 11. und 12. Jh. beherrschte der große (z.B. Chepstow/Bristol, Loches/Tours) und kleine (Marburg, Dreieichenhain/Frankfurt) Wohnturm, der Herrenturm des Hochadels, die Landschaft. Er wird in Frankreich Donjon, in Großbritannien Keep genannt. Ab der Mitte des 12. Jhs. wurde die offene Burganlage mit den Burgelementen Bergfried, Ringmauer, Burgtor und Wohngebäuden langsam üblich (siehe unten Warthenberg). Der Bergfried war im Gegensatz zum kleinen oder großen Wohnturm nicht mehr ständig bewohnt. In den einzelnen Landschaften gab es darüber hinaus Eigenentwicklungen in der Bautechnik und in der gestalterischen Ausführung der Burgelemente.
Neue Website burgenbau.de/com: 1. Kapitel „Kleine Einführung in den deutschen Baugenbau im Hochmittelalter mit dem Schwerpunkt Süddeutschland bis zur Lahn und zum Elsaß“

Die Ausgrabung der Burg Warthenberg/Saverne um 1985-1995 durch die Herren Haegel und Kyll, beide Saverne, führte zu einer Beantwortung von 3 großen offenen Fragen in der Burgenkunde:

  1. Burgengründungen der Staufer zwischen 1150 und 1220/46
  2. Einführung der „offenen Burganlage“ mit Bergfriedm Ringmauer, Burgtor und teilweise repräsentatvem Wohngebäude („Palas“) in Mitteleuropa
  3. Einführfung des Buckelquaders in Mitteleuropa


Die Burg Warthenberg wurde wahrscheinlich von den Grafen von Dagsburg mit riesigem Geldaufwand in kürzester Zeit zwischen Saverne mit der wichtigen Vogesenaufstieg, der „Zaberner Steige“, und dem reichen Kloster Neuwiller/Saverne neu auf repräsentativer Höhe errichtet. Sie war in der frühen Stauferzeit für sehr kurze Zeit eine der mächtigsten Burgen in Europa und hatte ein völlig neues, revolutionäres Planungskonzept. Vermutlich direkt, etwa 5 Jahre, nach ihrer Errichtung musste sie im Zuge der Horbourger Fehde (1160-63) auf Druck der Staufer wieder abgetragen werden (siehe auch Pkt. 1.e)

d) Einsatz von Burgen in der Territorialplanung - Burgenbau der Staufer

Der Autor konnte auf Grund der umfangreichen Forschungen im gesamten deutschen Sprachraum und aktuell im Elsaß als einer der reichsten europäischen Regionen feststellen, daß die Staufer -ähnlich wie die Welfen- vor 1212/15 im Gegensatz zu dem übrigen Hochadel nur eine ganz geringe Zahl eigener Burgen errichteten. Diese wenigen Burgen hatten dann aber eine große Grundfläche und eine bedeutende Baumasse. Hierzu gehörte im Westen und Südwesten des Reiches der völlige Umbau der bestehenden Haut-Koenigsbourg ab 1165-70 als politische Signalwirkung gegenüber den Grafen von Dagsburg hoch oben über der Landschaft um das ewig umstrittene Colmar im Elsaß, die Erweiterung des uralten Reichsburg Trifels um 1190-1200 als Hort in der Nähe der wichtigen Pfalzen Haguenau und Kaiserslautern sowie der Neubau der Landskron/Sinzig/Ahr um 1198-1200 als Warte gegen die mächtige Stadt Köln. Diese Planungspolitik der Staufer kann besser mit dem Ausspruch William Marshals 1199 verstanden werden, mit dem er den englischen König Richard Löwenherz trösten wollte. „… die Unterhaltung der Burgen sei doch teuer…“ (Antonow 1993, S. 116). Hier kommt die auch heute für die Bauherren wichtige enge Verbindung von Bauwille und Baugeldern zum Ausdruck, die oft zu Unterbrechungen des Bauablaufs einer Burg für viele Jahre führen konnte (Antonow, Burgen im Main-Viereck). Vermutlich waren die oft zitierten Burgen des staufischen Herzogs Friedrichs des Einäugigen im Elsaß nur Holzburgen gewesen.
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e) Einführung der „offenen Burganlage“ mit Bergfried, Ringmauer, Burgtor und Wohngebäude in die Europäische Burgenplanung

Mit großer Wahrscheinlichkeit führten die reichen, in der Politik aber unglücklichen Grafen von Dagsburg die „klassische“, offene Burganlage mit Bergfried, Ringmauer, Burgtor und Wohngebäude in Mitteleuropa, im Elsaß, ein. Es gab schon vorher offene Burganlagen, wie Württemberg oberhalb von Cannstatt/Stuttgart (um 1083). Diese besaßen aber noch keinen Bergfried. Andere Burgen besaßen einen kleinen oder großen Wohnturm mit einer Ringmauer rings herum, wie Marburg/Lahn, besaßen in der Regel aber nur eine kleine Grundfläche. Der klassische „offene“ Burgtyp entwickelte sich erst nach 1150. Der Autor stellte sich die Frage nach der Einführung schon ab 1964/74 und vermutete sie erst im letzten Drittel des 12. Jhs. Die Burg Warthenberg löste das Rätsel. Ohne diese Burg war die Vorgängerburg Haut-Eguisheim/Colmar eine entwicklungstechnisch isolierte Anlage und kam nicht als Grundlage einer seriösen Betrachtung in Betracht (Antonow 1983/1993, S. 318). Auf Grundlage der Erforschung der Burg Warthenberg lässt sich der gesamte frühe stauferzeitliche Burgenraum Elsaß mit heute -baugeschichtlich und nicht nur historisch- gesicherten etwa 12 Burganlagen, fast immer im Besitz des Hochadels, darstellen. Haut-Eguisheim steht dabei am Anfang. Die Burg Warthenberg/Saverne konnte mit ihrer Grundfläche und den Burgelementen mit den gleichzeitigen riesigen Kreuzfahrerburgen in Palästina verglichen werden. Möglicherweise waren diese Vorbilder für die neuartige Burg (siehe Pkt. 1.e). Eine fast abgeschlossene Publikation des Autors, der hierfür noch einmal alle hochmittelalterlichen Burgen im Elsass untersucht hat, wartet noch auf die Herausgabe durch den Alexander Antonow Verlag.

f) Der Buckelquader, sein Auftreten in Mitteleuropa nördlich der Alpen in der Stauferzeit

Baustelle einer Burg um 1220-40

Der Buckelquader im hochmittelalterlichen Europa scheint im Bereich des Deutschen Reiches nördlich der Alpen in der 1. Hälfte des 12. Jhs. „wieder entdeckt“ bzw. langsam eingeführt worden zu sein. Die Bossenform der Ansichtsfläche war eine repräsentative Gestaltungsform einer Quaderfläche und wirtschaftlicher herzustellen als eine richtige Quaderfläche. Militärische Aspekte scheiden hier grundsätzlich aus. Vom deutschen Hochadel und nicht von den Staufern scheint der Buckelquader - vermutlich von den im elsässischen Kirchenbau eingesetzten lombardischen Steinmetzen- in der Mitte des 12. Jhs. im Elsaß als einem der reichsten europäischen Regionen im hohen Mittelalter erstmals bekannt gemacht worden zu sein. Der Autor revidiert damit seine alten Feststellungen von 1974/1983/1993, in denen er die Initiative für die Einführung bei den Staufern unter Friedrich I. Barbarossa vermutete. Die Grafen von Dagsburg setzten erstmals nördlich der Alpen Buckelquader mit sehr großem Format bei ihren Burgen Haut-Eguisheim/Colmar um 1148-50 und Warthenberg/Saverne um 1153/58-62 ein. Danach wurden solche großformatigen Buckelquader nur noch selten (schwäbische Alb im 2. Viertel des 13. Jhs.) eingesetzt. Der Stauferkaiser Friedrich I. Barbarossa bevorzugte die Buckelquader bei dem Bau seiner Pfalzen (noch unklar bei Haguenau/Elsaß ab 1151; Kaiserslautern nach 1160 und Gelnhausen ab 1165/70) nach dem 4. Italien-Krieg 1165/70. Staufische Ministeriale setzten die Buckelquader auch bei dem Bau der wenigen eigenen Burgen (Münzenberg, Büdingen, Wildenberg/Amorbach) ein. Die französische und englische Krone bevorzugte dagegen den wirtschaftlicheren großen Handquader.

g) Die Führungsrolle des französischen Kronlands im Burgenbau ab dem Ende des 12.Jhs. bis zum Ende des 15. Jhs.

Philippe II. Auguste (1180-1223) war sicher der am rationalsten denkende König im hochmittelalterlichen Europa. Er setzte sich deshalb auch trotz seiner militärischen Schwäche mit viel Glück Schritt für Schritt gegen den Hochadel und die englische Krone auf dem Festland durch und konnte sogar in der Schlacht bei Bouvines 1214 dem staufischen Kaiser Friedrich II. das Reich retten. Ähnlich wie Augustus im römischen Reich jedoch völlig unabhängig von den vielen in Europa stehenden römischen Bauten entwickelte er beeindruckende Wehrbauten:

  • Großer Rundturm als Eckturm oder in dem Burghof isoliert stehender Turm oft mit riesigen Maßen sowie einem aufwendigen Innenausbau u.a. mit Gewölben und Treppen
  • etwa 50 x 50 m große Kastellburgen mit Rundtürmen an den Ecken.

Diese Wehrbauten schufen zusammen mit den gotischen Kathedralen eine bauliche Klammer für das anfangs noch sehr kleine französische Kronland. Aus wirtschaftlichen und Gründen des Bauablaufs ließ Philippe II. Auguste nur den großen Handquader bzw. Kleinquader beim bau verwenden. Daneben schuf er auch eine gut organisierte Bauverwaltung sogar mit Baufachleuten für Belagerungen. Die neuartige Kastellburg und der große Rundturm mit Gewölben war spätestens ab 1200 bis zum Ende des 15. Jhs. Vorbild für das gesamte Abend- und Morgenland und löste auch den großen Wohnturm als Baupropaganda ab.

h) Bildergalerie Burgen

Wildenberg, LKrs Miltenberg; um 1210 - 20