Luxor (Medinet Habu), Ober-Ägypten: Osttor
Großes Doppelturmtor mit Vortor der Tempel- und Palaststadt Medinet Habu (um 1170 -60/56 v. Chr.)
Teil des Weltkulturerbes „Stadt Luxor“
Der letzte große ägyptische Pharao, Ramses III. (1187 - 56 v. Chr.), ließ die gewaltige, stark befestigte Tempel- und Palast-Stadt Medinet Habu auf dem Westufer des Nils gegenüber von Theben als letzte große Baumaßnahme des Neuen Reiches in 2 Baustufen errichten. Nach 1187 bis um 1175 wurde in einer 1. Baustufe der große Totentempel Ramses III. (etwa 140 x 174 m) mit der diesen umgebenden, heute abgetragenen etwa 168 m x 135 m großen Ringmauer errichtet. Erst in der späteren Regierungszeit, um etwa 1170 bis 1160/56, ließ Ramses III. in einer 2. Baustufe seine Palaststadt mit einer riesigen und noch mächtigeren, teilweise noch erhaltenen, etwa 10,5 m starken und etwa 18 m über Gelände hohen, geböschten Ringmauer mit schrägem Sockel mit einem Umfang von etwa 320 x 200 m sowie einer niedrigeren Vormauer umgeben. Die Bauzeit war von finanziellen Schwierigkeiten des Reiches sowie sozialen Unruhen begleitet. 100 Jahre später, vor der Mitte des 11. Jh.s, soll die Festungsstadt in kriegerischen Unruhen u.a. mit libyschen Völkern erheblich beschädigt und wieder repariert worden sein.
Je eine riesige Toranlage stand auf der südöstlichen und nordwestlichen Schmalseite der 18 m hohen Wallanlage. Die größere zeigte nach Westen zum feindlichen Libyen. Das Osttor bestand aus einer im Grundriss fast quadratischen, etwa 23 m (B) x 22,2 m (T) großen Doppelturmtor-Anlage als Haupttor sowie einem kleinen reduzierten Doppelturmtor als Vortor. Eine Art Torhaus überdeckt mit 2 übereinander liegenden riesigen waagrechten monolitischen Sturzbalken die rechteckige Toröffnung (Abb. -d und -e). Die Innenräume der 2 seitlichen großen Flankierungstürme waren mit den Räumen des Torhauses verbunden. Am Vortor endete in der Antike der Transportkanal vom Nil, der für den Bau der Anlage, die Reisen des Pharao und die jährliche „Tal-Prozession“ zur riesigen Tempel-Anlage befahren wurde. Die für die Ankommenden sichtbaren Wandteile, wie die fs und ss Fassade des Osttors sowie die zum Torzugang zeigenden Wände der 2 Flankierungstürme (Abb. -d und -e) sind noch mit Quadern verkleidet.
Die übrigen, vom Nil-Verbindungskanal aus nicht direkt sichtbaren Wände, wie die an beide Wallteile angrenzenden Wände des Torhauses und der Flankierungstürme (Abb. -c), bestanden aus den nicht beständigen luftgetrockneten und heute verschwundenen Lehmziegeln. Sie ergänzten den Grundriss zu einem Quadrat bzw. den Gesamtbau zu einem Kubus. Heute ist die originale elegante Blockform der Toranlage nicht sofort erkennbar. Die vorderen, fs, um ½ Geschoss gegenüber dem Torhaus und den restlichen Turmteilen erhöhten Drittel der im Grundriss rechteckigen Flankierungstürme sehen wie schmale Pylone eines ägyptischen Tempels (siehe Abb. -c) aus. Die beiden den Torhof flankierenden Turmwände wurden aus architektonischen Gründen im mittleren Drittel als Nische zurückgesetzt. Dadurch wurde der Schlucht-Charakter des 18 m hohen Torhofs erheblich aufgelockert (Abb. -d). Das restliche Tor hatte mit 18 m die gleiche Höhe wie der angrenzende riesige Wall und besaß wahrscheinlich auch die runden „ägyptischen“ Zinnen.
Das gesamte Erdgeschoss des Haupttors war massiv. Eine Rampe in der südwestlichen Ecke von Ringmauer und Torhaus (Abb. -c) führte zum hochgelegenen, heute verschwundenen Eingang im Torhaus. Im 1. und 2. Obergeschoss des Torhauses und im anschließenden, hinteren, ss Teil der Flankierungstürme gab es 5 große, mit Türen verbundene aufwendig dekorierte Aufenthaltsräume mit großen rechteckigen Fenstern zur SS und FS. Weitere Räume gab es im 3. Obergeschoß der fs Pylone. Auf der Nordseite des Torhauses gab es ein Treppenhaus zu den Obergeschossen und zur Wehrplattform. Die heute verschwundenen Räume mit Ziegelwänden waren auch mit Ziegeln überwölbt.
In dem aus Steinquadern errichteten restlichen Torhaus gibt es noch die Aussparungen für die Deckenbalken. Auf den Konsolen über den Fenstern zum Torhof im 2. Obergeschoss (Abb. -d) sollen Statuen Ramses III. gestanden haben, wie er, ein Indiz für die damalige kriegerische Zeit, seine Gegner erschlägt. Zu diesem Propaganda-Zyklus gehören auch auf den Frontseiten aufgebrachte überlebensgroße, früher farbig gefasste Reliefs mit dem seine Feinde erschlagenden Pharao Ramses III. (Abb. -b). Von den großen, sicher mit Holzläden versperrten Fenstern des 1. und 2. Obergeschosses aus konnte der Torhof bzw. die Torgasse gut verteidigt werden. Die Abb. -e blickt von der Torkammer aus auf die Aussparung für den oberen Torangelbalken, die Öffnung für den Verriegelungsbalken sowie die Toröffnung und die westliche Wand des südlichen Flankierungsturms.
Die Aufteilung mit den teilweise überwölbten Innenräumen, deren Ausmalung u.a. mit Lustszenen mit den Haremsdamen des Pharao sowie die Ausstattung u.a. mit Skulpturen weisen auf die zusätzliche Funktion der Obergeschosse als „königlicher Kiosk“ (Hoelscher 1958) über dem massiven Durchfahrtsgeschoß des großen Wehrbaus hin. Vermutlich war das Tor auch Zeuge des Anfangs des Untergangs des Neuen ägyptischen Reiches. Das erfolgreiche Attentat einer Haremsfrau mit Hilfe untreuer Diener im Rahmen der „Haremsverschwörung“ an dem Pharao Ramses III. 1156 v.Chr. könnte durchaus in den königlichen Obergeschossen des Osttors stattgefunden haben. Das bereits von Unruhen gefährdete Neue ägyptische Reich ging seinem Untergang entgegen.
Das großartige Osttor von Medinet Habu mit seinem gewaltigen Torhof stand in der Tradition der großen Toranlagen der Festungen an der oberägyptisch-nubischen Grenze im Mittleren und Neuen Reich (u.a. Buhen, ab etwa 1950 v.Chr.). Das Osttor ist das einzige fast vollständig erhaltene große Doppelturmtor als Stadttor des Mittleren und Neuen ägyptischen Reiches sowie der kleinasiatischen Reiche der Bronze- und Eisenzeit bis hin zum Doppelturmtor Nr. 3 der riesigen neuassyrischen Palaststadt Dur Sarrukin (712-06 v.Chr; AT) und zum Ischtartor im neubabylonischen Babylon (um 600 - 570 v.Chr.; AT).
Abb. a.: Osttor von Osten mit Haupttor als Doppelturmtor und Vortor als kleines reduziertes Doppelturmtor, vom Platz des ehemaligen Zufahrtskanals aus; der (rechts im Bild stehende) „kleine Amun-Tempel“, von Thutmosis III. begonnen, wurde in die Befestigungsanlage integriert.
Abb. b.: Osttor von Südosten mit noch originaler Vormauer mit halbrunden, „ägyptischen“ Zinnen
Abb. c.: Osttor von Süden mit den verwitterten Wandbereichen aus Lehmziegeln des Torhauses und des südlichen Flankierungsturmes (mit schmalem Pylon an der FS mit großem schrägem Sockel) sowie mit zum Teil wieder aufgebautem niedrigen kleinen Turm des Vortors; die rückspringende Quaderwand des Flankierungsturms ist identisch mit der die Toröffnung flankierenden Quaderwand (linke Wand) der Abbildung -d. Die vordere neue niedrige Trockenmauer markiert die östliche Außenseite der etwa 10,5 m starken und etwa 18 Meter hohen, bis zu den Türmauer reichenden Ringmauer aus Lehmziegeln.
Abb. d.: Vorhof- bzw. Zugangsbereich des Haupttors von Osten mit Torhaus, großer Toröffnung mit 2-fach übereinander liegendem riesigem waagrechtem monolitischem Sturz sowie seitlichen Flankierungstürmen
Abb. e.: Blick von der Tornische des Torhauses (mit der Aussparung für den oberen Torangel-Balken sowie die Torverriegelung) aus nach Osten auf die südliche Wand der Toröffnung und auf die Südwand des anschließenden südlichen Flankierungsturms (Abb. c) mit einem seitlichen nischenartigen Rücksprung zur optischen Akzentuierung des fs schmalen Pylons und der Zugangssituation